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Lehren zur Credit-Suisse-Krise

Die Credit Suisse hat aufgrund ungenügender Umsetzung ihrer strategischen Stossrichtungen, wiederholter Skandale und Managementfehlern das Vertrauen des Marktes verloren. Die Folge war ihr Untergang, wie ein Bericht der FINMA analysiert.

Das Verschwinden einer der beiden globalen Schweizer Grossbanken war ein einschneidendes Ereignis für den Schweizer Finanzplatz. Als Beitrag zur Aufarbeitung der Krise hat die FINMA die Vorgeschichte, die dazugehörenden Aufsichtstätigkeiten, den akuten Krisenverlauf sowie den daraus abgeleiteten Veränderungsbedarf umfassend analysiert und aufgearbeitet. Beleuchtet wird die Entwicklung der Aufsichtstätigkeit der Credit Suisse von 2008 bis 2023. Nach Abschluss der Analysen veröffentlichte die FINMA die Erkenntnisse in einem Bericht. Sie hat diesen auch bereits der in dieser Sache tätigen Parlamentarischen Untersuchungskommission zur Verfügung gestellt.

Scheitern an Mängeln bei Strategie und Management

Die Festlegung, Umsetzung und Überwachung der Strategie fällt in den Verantwortungsbereich des Verwaltungsrats der Bank. Dieser beschloss wiederholt Strategieänderungen mit dem Ziel, die Investmentbank zu verkleinern, die Ertragsvolatilität zu senken und das Geschäftsmodell stärker auf die Vermögensverwaltung auszurichten. Diese Strategieänderungen wurden nicht konsequent umgesetzt. Die Ertragsvolatilität blieb hoch in der Investmentbank, aber auch in der Vermögensverwaltung.

Wiederkehrende Skandale setzten dem Ruf der Bank zu, belasteten die Ergebnisse und führten zu einem Vertrauensschwund bei der Kundschaft, den Investorinnen und Investoren und im Markt.

Bank konnte Missstände nicht beheben

Die Probleme der Credit Suisse materialisierten sich in diversen Geschäftsbereichen und aufgrund verschiedener Risikotypen. Praktisch bei allen Problemen spielten gravierende Mängel im Risikomanagement eine Rolle. Die Massnahmen der FINMA zielten auf solche Mängel und stärkten die Kontrollen. Die FINMA monierte gegenüber der Bank wiederholt auch die Risikokultur und ging mit ihren Massnahmen an ihre gesetzlichen Grenzen. Trotz teilweise umfangreichen Anpassungen gelang es den Organen der Bank über die Jahre nicht, die seitens der FINMA festgestellten Missstände in der Bankorganisation gesamtheitlich und nachhaltig zu beheben.

Auch in Jahren mit grossen Verlusten blieben die variablen Vergütungen hoch. Die gewichtigen Aktionärinnen und Aktionäre der Credit Suisse nahmen ihre Einflussmöglichkeiten bei Vergütungen kaum wahr.

Reorganisationen sowie hohe Kosten, Bussen und Verluste schwächten zudem die Kapitalbasis. Die Credit Suisse war in der Folge immer wieder gezwungen, am Markt Kapital aufzunehmen.

Vertrauenskrise unterminierte erfüllte Kapitalvorgaben

Die Credit Suisse erfüllte die regulatorischen Kapitalanforderungen. Diese Kapitalunterlegungen vermochten die massive Vertrauenskrise jedoch nicht zu verhindern. Das Stammhaus, die CS AG, wies innerhalb der Gruppe die schwächste Kapitalunterlegung auf und stellte dadurch das schwächste Glied in der Kette dar.

Die Folge waren massive Liquiditätsabflüsse

Die Credit Suisse erfüllte auch die regulatorischen Anforderungen an Liquidität und hielt im Sommer 2022 komfortable Liquiditätspuffer. Der Vertrauensverlust der Bank führte jedoch zu sehr schnellen und weitreichenden Liquiditätsabflüssen, die durch die digitalen Kommunikationsmittel (digitaler Bank Run) noch verschärft wurden und die Bank letztlich an den Rand der Zahlungsunfähigkeit brachten.

Die FINMA hat ihre Aufsicht weitreichend wahrgenommen

Die FINMA hat – gemäss ihrer eigenen Evaluation – ihre Aufsicht im Rahmen der geltenden gesetzlichen Vorgaben gegenüber der Credit Suisse sehr weitreichend wahrgenommen. Seit 2012 hat sie gegen die Credit Suisse 43 Vorabklärungen für mögliche Enforcementverfahren durchgeführt, neun Rügen ausgesprochen, sechzehn Strafanzeigen erstattet sowie elf Enforcementverfahren gegen das Institut und drei Verfahren gegen natürliche Personen abgeschlossen. Elf dieser vierzehn Verfahren fielen in den Zeitraum ab 2018. Dabei hat die FINMA die Credit Suisse im Rahmen ihrer Kompetenzen konsequent auf Risiken aufmerksam gemacht, Verbesserungen gefordert und einschneidende Massnahmen auferlegt. Diese umfassten umfangreiche Kapital- und Liquiditätsmassnahmen, Eingriffe in die Governance und in die Vergütung sowie Geschäftsrestriktionen. In der Periode von 2018 bis 2022 hat sie zudem 108 Vor-Ort-Kontrollen bei der Credit Suisse durchgeführt und dabei 382 Punkte festgestellt, die Massnahmen erforderten. Bei 113 dieser Punkte wurde das Risiko als hoch oder kritisch eingestuft. Diese Zahlen und Massnahmen illustrieren, dass die FINMA ihre Möglichkeiten und gesetzlichen Kompetenzen ausgeschöpft hat.

Behörden hofften auf eine Stabilisierung der Situation

Darüber hinaus erkannte die FINMA bereits früh das mögliche Risiko einer Destabilisierung der Bank und intensivierte ihre Aufsichtstätigkeit entsprechend. So verlangte sie von der Bank bereits im Sommer 2022 konkrete Massnahmen zur Vorbereitung auf eine Krise wie beispielsweise Verkäufe von Geschäftsteilen sowie später auch der Verkauf der ganzen Bank. Die FINMA ihrerseits bereitete gleichzeitig eine mögliche Sanierung der Bank vor. Im März 2023 war die Sanierung seitens FINMA vorbereitet, so dass sie als alternatives Szenario vorlag. Die Behörden kamen jedoch zum Schluss, dass mit der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS eine möglichst rasche Stabilisierung der Situation mit einem geringeren Risiko erreicht werden konnte.

Die FINMA zieht Lehren aus dem Fall Credit Suisse

Behördliche Krisen-Massnahmen haben Ziel erreicht: Die im März 2023 von den Behörden ergriffenen Massnahmen waren effektiv und erfüllten den gesetzlichen Auftrag. Sie gewährten den Schutz der Gläubigerinnen und Gläubiger sowie die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte.

Die gesetzliche Grundlage für die Aufsicht stiess an Grenzen: Die FINMA hat ihre Aufsichts- und Enforcementaktivitäten bei der Credit Suisse über die letzten Jahre aufgrund der Häufung von Problemen und Mängeln zunehmend intensiviert und immer einschneidendere Massnahmen verfügt. Sie ging damit bis an die Grenzen ihrer gesetzlichen Möglichkeiten.

Mehr Pflicht zur Verantwortung im Bereich Governance: Die FINMA befürwortet erweiterte Möglichkeiten, um auf die Governance der Beaufsichtigten stärker Einfluss zu nehmen. Der FINMA scheint hierbei insbesondere ein Senior Manager Regime, eine Bussenkompetenz und die Möglichkeit, regelmässig Enforcementverfahren zu veröffentlichen zweckmässig. Für effektive Eingriffe in Vergütungssysteme ist ein solideres gesetzliches Mandat an die FINMA erforderlich.

Kapitalregulierung nachbessern: Im Bereich der Eigenmittelanforderungen führte die gesetzliche Pflicht zur Gewährung von Erleichterungen auf Stufe Einzelinstitut zu einer Schwächung des Stammhauses. Zudem wirkte die regulatorische Behandlung von Beteiligungen in der Krise prozyklisch. Die FINMA fordert deshalb im Rahmen der Überprüfung der Too-big-to-fail-Vorgaben strengere Standards in der Regulierung auf der Stufe des Einzelinstituts.

Fokus auf Eigenmittelzuschläge: Die FINMA ordnete weitreichende Eigenmittelzuschläge an, um erhöhten Risiken aus den Geschäftsaktivitäten der Credit Suisse zu begegnen. Die FINMA wird künftig die mit der Strategieumsetzung oder einer unzureichenden Kontrollumgebung verbundenen Risiken und das sich daraus ergebende Verlustpotenzial von Finanzinstituten noch systematischer analysieren und bei Bedarf Eigenmittelzuschläge verhängen und diese offenlegen. Es ist zu prüfen, ob es dazu auch eine Anpassung der regulatorischen Grundlagen braucht.

Fokus auf Umsetzbarkeit der Recovery- und Resolution-Massnahmen: Einige Massnahmen der von der FINMA geprüften und bewilligten Stabilisierungspläne (Recovery-Plan) waren in der vorliegenden Krise nicht in der geplanten Form umsetzbar. Daher wird die FINMA in Zukunft einen stärkeren Fokus auf die effektive Umsetzbarkeit der Massnahmen legen und eine Verschärfung der Bewilligungspraxis prüfen. Sie wird auch die Abwicklungsplanung (Resolution-Plan) auf schnellere Bank Runs und auf mehr Krisenszenarien auslegen.

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